die Angst vor dem Tod sei es die uns lähmt und aufhält, die uns hindert, das zu tun, was wir für wichtig und richtig halten. Nur die Angst vor dem Tod gelte es zu überwinden.
Die Angst vor dem Tod mag die letzte und größte sein und vielleicht ist sie auch die, welche wir am Urgrund jeder anderen Angsterforschung finden werden.
Im Alltag aber glaube ich, ist unsere prägendste und hinderlichste Angst ist die Angst vor Gefühlen. Wir haben Angst, dass wir mit den Gefühlen, die auftauchen werden, wenn wir dieses oder jenes tun und dafür diese oder jene Reaktion ernten, nicht umgehen können, dass es zu schmerzhaft, zu groß, zu schlimm werden könnte. Wir fürchten uns vor der Scham, wenn wir etwas tun, was andere be- oder verurteilen. Wir fürchten uns vor dem Schmerz, wenn wir Ablehnung erleben. Wir fürchten uns vor der Angst wenn wir Gegenwind erwarten.
An Gefühlen ist noch niemand gestorben. Im Gegenteil: es ist das Nicht-Fühlen in der Depression, das Gefühle vermeiden und unterdrücken, das in der Lage ist, Menschen zu töten. An Gefühlen ist noch niemand gestorben und doch kann die Angst vor Gefühlen uns so sehr beeinflussen, dass wir unsere Wahrheit nicht sprechen, unseren Impulsen nicht folgen, uns fügen, wo wir rebellieren wollen, und so weiter.
Urteil, Ablehnung, Zurückweisung. Es sind sicherlich keine angenehmen Erfahrungen. Für einen Menschen in seiner Kraft und Mitte sind sie aber handhabbar. Umso mehr, wenn er durch das Leben seiner Wahrheit die unendliche Kraftquelle seiner Integrität zur Verfügung hat. Integrität gibt Kraft. Integrität führt uns in Einklang mit uns selbst und mit dem Größeren, sei es Gott, der Webrahmen des Lebens, der universelle Plan. Wenn wir uns Wahrheit sprechen und leben, spüren wir wie gebundene Kräfte wieder frei werden. Und doch ist genau das so schwer und Angst besetzt.
Ich vermute, dass es so schwer ist, weil wir als sehr kleine Menschen Erfahrungen gemacht haben, die mit unseren damaligen Ressourcen nicht zu bewältigen waren. Für ein Baby oder sehr kleines Kind kann es tatsächlich den physischen Tod bedeuten, auf Ablehnung, Urteil oder Zurückweisung zu stoßen. Es kann sich ja nicht umdrehen und woanders hingehen, schon gar nicht im Bauch seiner Mutter, wo Ablehnung (ich will dieses Kind nicht) oder Urteil (dieses Kind wird nicht gesund sein) tatsächlich in vielen Fällen zum physischen Tod führt. Diese Bedrohung nimmt sicherlich jedes Kind wahr, welches sich in einer solchen Situation befindet, auch wenn sich seine Eltern letztlich dagegen entscheiden, ihm das Leben zu nehmen. Die Erfahrung der Bedrohung bleibt. Im Körpergedächtnis unter Umständen ein Leben lang. Eine später unbewusst gespeicherte Erfahrung aber eine Erfahrung, die Handeln prägen oder gar verunmöglichen kann.
Jährlich werden in Deutschland ca 100.000 Kinder abgetrieben. Die Zahl derer, die Abtreibung erwägen und sich dann dagegen entscheiden dürfte um ein Vielfaches höher liegen und ist seit Zeiten zunehmender Pränataldiagnostik sicherlich noch um einiges gestiegen. Ich schreibe das nicht aus einem Urteil gegen Eltern, ich weiß was es bedeutet sich für ein Kind zu entscheiden, womöglich für ein ungeplantes Kind oder das Kind aus einer nicht-tragenden Beziehung. Ich schreibe es, um das Verständnis der Menschen für sich selbst zu erhöhen und ihren Umgang mit sich weicher zu machen.
Ja, dann ist es ja doch die Angst vor dem Tod, die uns hindert. In gewisser Weise schon, aber eben nicht eine Angst, die im Jetzt begründet ist. Sondern eine Angst, die das Kind in uns in sich trägt.
Natürlich sind die Zeiten solcherart, dass man ganz reale Ängste vor dem physischen Tod im Jetzt haben kann. Ich glaube aber in den allermeisten Fällen ist diese Gefahr doch noch relativ weit weg und die Angst, die wir empfinden kommt aus einer anderen Zeit.
Ich glaube erst wenn wir uns mit liebevoller Aufmerkasamkeit diesen früheren Ängsten zuwenden, können wir sie aus dem Körpergedächtnis lösen. Und erst dann werden wir wirklich frei, unsere Wahrheit zu sprechen und unsere Integrität zu leben.
Andersherum, fürchte ich, nähren auf energetischer Ebene unsere Ängste, das wovor wir Angsr haben, das, was wir nicht haben wollen. Denn wir schenken ihm hochemotional geladene Aufmerksamkeit. Du hast Angst vor dem Überwachungsstaat? Du hast Angst vor den Bestrafungen, die auf jene warten werden, die sich nicht beugen? Ich fürchte je stärker deine Angst ist, desto mehr trägst du dazu bei, dass genau das eintreten wird. Jetzt kann kein Mensch einfach sagen: ok, dann hab ich keine Angst mehr. Aber jeder Mensch kann herausfinden, was an dem befürchteten Szenario ihm eigentlich so zu schaffen macht, was die tieferen Ängste sind, was unter der Oberfläche des Sichtbaren liegt und dieses „darunter“ liebevoll versorgen. Ich glaube, dann wäre die Energie, welche in Angstbewältigung oder Angstunterdrückung fließt wesentlich konstruktiver eingesetzt. Angst weg zu schieben, bringt nicht so viel. Angst anzuschauen, mitfühlend zu verstehen und jene jüngeren Anteile in einem selbst, die in Panik und Erstarrung auf unser Heute schauen, abzuholen und zu umsorgen, entzieht dem System Energie und schenkt sie dir selbst zurück. Vielleicht hast du danach immer noch manchmal Angst, aber sie wird dich nie wieder lähmen. Du wirst sie nie wieder unterdrücken müssen, sondern kannst sie einfach wahrnehmen als das, was sie ist: ein Gefühl in deinem Körper.